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Ineke Havenkamp lässt sich zur Medizinischen Tastuntersucherin ausbilden

Den Krebs blind ertasten

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Ineke Hovenkamp ist blind. Aber in ihrem neuen Beruf als Medizinische Tastenuntersucherin ist dies kein Handikap, sondern ein Vorzug, denn dort ist ihr geschultes Feingefühl gefragt. Derzeit macht sie ein Praktikum in der Praxis Nöcker/Hornemann. Interessierte Frauen können sich dort kostenlos untersuchen lassen.

Monika Gerharz

Ineke Hovenkamp ist blind.  Aber in ihrem Beruf wird aus dem Handikap eine gesuchte Fähigkeit, denn ihr Feingefühl ist durch langjährige Übung besonders entwickelt. Foto: Monika Gerharz

Ih re Augen sitzen in den Fingerspitzen. Das ist zu spüren. Sanft kreisen Zeige- und Mittelfinger von Ineke Hovekamp über den Brustansatz, langsam verstärkt sich der Druck, dann noch einmal. Die Hand gleitet zur nächsten Stelle, dann zur nächsten, kehrt noch einmal zurück, wie um sich zu vergewissern, dass die Finger nichts „überspürt“ haben. Leichter Druck – deutlicher Druck – Druck in die Tiefe. „Wir arbeiten auf drei Ebenen“, erläutert die Frau mit den dunkelblonden Locken. Mehr als eine halbe Stunde untersucht sie die Brust, Zentimeter für Zentimeter. So viel Zeit hat keine Frauenärztin. „Es gibt Studien, dass diese Untersuchungen wirklich etwas bringen“, sagt Dr. Manuela Nöcker, Frauenärztin in der Gynäkologischen Praxis am Krankenhaus.

In dieser Praxis absolviert Ineke Hovenkamp derzeit ein vierwöchiges Praktikum. Denn die 44 Jahre alte Holländerin ist noch in der Ausbildung, bei der Gesellschaft „Discovering Hands“. Die Gesellschaft wurde von dem Arzt Dr. Frank Hoffmann gegründet, der einerseits die Brustkrebs-Prävention verbessern, andererseits für blinde und sehbehinderte Frauen ein neues Berufsfeld eröffnen wollte. „Sonst wird man immer gefragt: Was können Sie nicht?“,, sagt Ineke Hovenkamp. Jetzt sind zum ersten Mal die besonderen Fähigkeiten gefragt, die sie als blinde Frau hat – und das fühlt sich für sie großartig an. „Das ganze Leben braucht man das Gefühl, etwa beim Lesen der Punktschrift. Es ist deshalb sehr ausgeprägt.“ Außerdem war Ineke Hovenkamp viele Jahre Masseurin, auch das hat ihr Gespür geschult. Und es freut sie sehr, dass sie einen wichtigen Beitrag für die Gesundheit von Frauen leisten kann. „Es erkranken so viele an Brustkrebs. Wenn man das frühzeitig merkt, sind die Aussichten auf Heilung am besten.“

Vor wenigen Tagen hat sie eine Unregelmäßigkeit ertastet. „Das klären wir dann sofort ab und machen eine Ultraschalluntersuchung“, verspricht Dr. Nöcker, dass keine Frau mit einem Befund allein gelassen wird. Ineke Hovenkamp warnt übrigens davor, sich allein auf die Tastuntersuchung zu verlassen. „Die Mammografie wird dadurch nicht überflüssig.“ Sie kann zwar Knoten ertasten, die kleiner sind als ein halber Zentimeter. Trotzdem. „Das ist ein Zusatzangebot“, sagen sie und die Ärztin übereinstimmend.

Vor der Untersuchung steht eine Anamnese. Gibt es Brustkrebs in der Familie? Gibt es schwere Vorerkrankungen? Es sind die üblichen Fragen, die auch jeder Arzt stellt. Danach klebt Ineke Hovenkamp drei rot-weiße Markierungsstreifen über die Brust. „Damit teile ich fünf Untersuchungszonen ab“, sagt sie. Das ist für sie eine Orientierungshilfe, und wenn etwas gefunden wird, kann sie der Ärztin genau den entsprechenden Sektor angeben.

Zuerst fühlt die Medizinische Tastuntersucherin nach den Lymphknoten unter den Armen, am Hals und am Schlüsselbein, dann beginnen die Finger zu kreisen. Die Augen der blinden Frau sind geschlossen, eine kleine Konzentrationsfalte erscheint auf der Stirn. Sie sieht aus wie ein Mensch, der ganz genau zuhört. Und dem man deshalb gern vertraut.

Zum Thema

Frauen, die gerne eine Medizinische Tastuntersuchung der Brust ausprobieren möchten, haben dazu in den nächsten Wochen in der Frauenarztpraxis Dr. Nöcker/Dr. Hornung im Krankenhaus Gelegenheit. Das Angebot richtet sich an alle Grevenerinnen, nicht nur an die Patientinnen der Praxis und ist kostenlos. Infos und Anmeldung unter ' 0 25 71 / 70 70.

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