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Alex-Talk über Hilfen bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung

„Die Heilkraft des Sprechens nutzen“

Münster

Wer traumatische Erlebnisse zu verarbeiten hat, dem helfe auch das Sprechen darüber, weiß die Alexianer-Expertin Stefanie Hellmann. In der jüngsten Auflage des Alex-Talk widmete sie sich dem Thema Posttraumatische Belastungsstörung. 

Im Gespräch mit Redakteur Stefan Werding erläuterte Stefanie Hellmann (EOS-Klinik) Merkmale von Traumata und Traumafolgestörungen sowie therapeutische Möglichkeiten zur Bewältigung.   Foto: A. Große Wöstmann

Eines klang beim jüngsten Alex-Talk zur Bewältigung von Traumata immer wieder durch: „Das Sprechen über das traumatisch Erlebte ist von großer Bedeutung und kann ein erster Schritt der Bewältigung sein!“ Warum das Aussprechen oft eine so hilfreiche Wirkung hat, erklärte Stefanie Hellmann von der EOS-Klinik anschaulich mit zwei Bildern: „Stellen Sie sich Ihre schmerzhaften Erinnerungen wie Kleidungsstücke vor, die Sie immer wieder unsortiert in einen großen Kleiderschrank werfen“. 

Irgendwann quelle dieser dann über, und beim Öffnen fielen einem unwillkürlich alle Kleidungsstücke auf einmal wild entgegen. Man komme also nicht umhin, sich einmal jedes Kleidungsstück einzeln anzuschauen und dies dann, neu sortiert und geordnet, wieder im Kleiderschrank abzulegen.

Sprechen ordnet das Erfahrene

„In der Psychotherapie traumatisierter Menschen schauen wir uns auf ähnliche Weise jedes Element der schmerzhaften Erinnerungen einmal in einem geschützten Setting gemeinsam an, um es dann sortiert im Gedächtnis abzulegen. Denn das Sprechen darüber ordnet das Erfahrene, insbesondere auch die damit verbundenen negativen Gefühle, und schon dadurch verliert das Erlebte seine Schlagkraft“. Anders hingegen würde das strikte Verdrängen, Vermeiden oder auch punktuelle „Ersticken“ der Erinnerungen etwa durch Alkohol, Drogen oder Selbstverletzung das Trauma oft nur noch verschlimmern.

Vor zahlreichen Interessierten in der Alexianer Waschküche und an den Bildschirmen erläuterte die Alexianer-Expertin die Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PBTS) und zeigte therapeutische Wege der Bewältigung auf. Immerhin zwei Drittel der Deutschen seien in ihrem Leben einer traumatischen Situation ausgesetzt, wozu etwa auch ein schwerer Verkehrsunfall oder eine schwere Krankheit gehören könne.

Vorsicht bei Symptomen auch nach Wochen

Die meisten von ihnen bewältigten solche Ereignisse gut. Wenn allerdings noch Wochen nach dem Erlebten die zunächst normalen Reaktionen wie etwa Angst, Herzrasen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Albträume oder auch depressive Symptome anhielten, sei eine PTBS sehr wahrscheinlich. „Auch Scham gehört häufig zu solchen andauernden negativen Gefühlen, vor allem bei Erfahrungen von sexualisierter Gewalt“, erläuterte Hellmann.

Im Gedächtnis von Betroffenen existierten die an das Geschehene geknüpften, sogenannten „kalten“ Informationen zu Ort, Zeit, beteiligten Personen und Umgebungsfaktoren oft ganz wirr neben den sogenannten „heißen“ Informationen der Wahrnehmung wie beispielsweise Gefühle der Angst, Wut, des Ekels oder auch Gerüche oder Geräusche. „In der Therapie versuchen wir dann, diese scheinbar wirren Einzelteile der Erinnerungen im Kopf der Betroffenen wie ein Puzzle zusammenzufügen“, erklärte die Psychotherapeutin.

Reaktion der Gesellschaft spielt wichtige Rolle

Neben der Therapie spiele für die Betroffenen, etwa bei Kriegstraumata oder dem Erleben von sexualisierter Gewalt, auch die Reaktion der Gesellschaft eine bedeutsame Rolle, denn die könne positiven wie auch negativen Einfluss auf die Bewältigung der Traumata nehmen.

„Denn es hilft ungemein, wenn wir als Gesellschaft den Betroffenen nicht nur generell eine Sprache geben, sondern ihnen auch Glauben und Vertrauen schenken und sie so mit ihrem Erlebten als Opfer anerkennen“.

Einen Stream der jüngsten Alex-Talk-Veranstaltung gibt es im Internet unter diesem Link

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