„Different“-Tanzabend mit dem Chelyabinsk Contemporary Dance Theater im Pumpenhaus
Menschen, Maschinen, Metaphern
Münster
„Nur weil wir den Körper als Maschine begreifen, können wir Menschlichkeit vermitteln“, sagt eine Tänzerin aus Olga Ponas Ensemble. Sie sagt es auf Russisch. Aber man kann es verstehen, weil auf der Leinwand hinter der Bühne die deutsche Übersetzung steht. Auf der Bühne selbst gibt es dann ein Beispiel. Die Tänzerin und ihre Kolleginnen formieren sich dann zu komplexen Menschengebilde, dessen exakt abgezirkelte Bewegungen tatsächlich an den Arbeitstakt einer Maschine erinnern, gleichzeitig aber eine Ästhetik ausstrahlen, wie man sie nur bei menschlichen Wesen findet. Vornehmlich bei solchen, die in Sachen Kunst unterwegs sind.
In „Different“ beschäftigt sich das Chelyabinsk Contemporary Dance Theater mit sich selbst. Es geht um den Tanz und um die Menschen, die ihn ausführen. Im Pumpenhaus sind das acht Frauen, von denen eine erklärt: „Ich bin eine Tänzerin, und damit ist alles gesagt.“ Dieser Satz kommt zweimal vor, einmal am Anfang und einmal am Ende der 90-minütigen Choreografie. Dazwischen gibt es eine Art Spurensuche, die man als Liebeserklärung an den Tanz verstehen kann, aber auch als Wesensbestimmung seiner Protagonisten.
Die Maschinen-Metapher zieht sich durch das ganze Stück. Damit stellt sich auch die Frage, wer den Körper der Tänzerin antreibt – sie selbst oder der Tanz? Die Choreografien lassen eine eindeutige Antwort nicht zu. Ensembleszenen wechseln mit Soli und Zweier- und Dreierkombinationen. Einmal strahlen die Figuren eine fast klassische Eleganz aus, dann wieder muten sie kraftvoll und ungestüm an. Was sich aber immer herauslesen lässt, ist ein starkes Selbstbewusstsein, das auf eine Identifikation mit dem schließen lässt, was man tut.
Im Stück führt dies zu durchaus ausdrucksstarken Bildern und vielen bewegenden Szenen, die auch Privates thematisieren wie etwa die Beziehung zu Männern oder das Kinder kriegen. Die Komik kommt ebenfalls nicht zu kurz, wenn eine Tänzerin erklärt, dass sich das Tanzen auf ihre Haltung im Schlaf auswirke, und dann in grotesken Verrenkungen über die Bühne rollt. Sie tanze im Schlaf weiter, sagt sie, mit dem Bett als Bühne. Auch verraten sie, was sie denken, wenn sie sich am Ende der Vorstellung vor dem münsterischen Publikum verbeugen: „Ich frage mich nicht, ob ich gut gewesen bin, sondern freue mich, dass wieder alle Glieder heil geblieben sind.“ Im Pumpenhaus in Münster war an diesem Abend beides der Fall.
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