„Colonia Digital: The Empire Feeds Back!“ von „andcompany&Co.“ im Pumpenhaus
Von der realen in die virtuelle Welt gekrochen
Münster
Das sozialistische Internet wurde 1971 von Salvador Allende erfunden. Es nannte sich Cybersyn und bestand im Wesentlichen aus zusammengeschalteten Fernschreibern. Aber immerhin konnte die chilenische Regierung damit die Lebensmittelversorgung sichern, als 1972 die Fuhrunternehmer streikten. Als sich Pinochet ein Jahr später an die Macht putschte, zerstörte das Militär mit dem Präsidentenpalast auch das darin befindliche Kontrollzentrum.
Erfahren kann man das in dem Stück „Colonia Digital: The Empire Feeds Back!“, mit dem andcompany&Co. am Freitag im Pumpenhaus gastierte. Als die großen Theoretiker unter den Theaterleuten hat die Berliner Truppe wieder einen assoziativen Rundumschlag auf die Bühne gebracht. Sozialismus, Internet, Kommunikationstheorie und kalter Krieg verbinden sich hier zu einem – ja, was eigentlich?
Das ist bei andcompanie&Co. nicht immer leicht zu sagen. Und in diesem Fall noch ein bisschen schwerer als in früheren Stücken. „Es gibt kein analoges Leben im digitalen“, proklamiert einer der Spieler und stellt damit irgendwie eine Verbindung zwischen Internet und Adorno her. Vom beständigen Rauschen im Netz ist die Rede, verursacht durch den Lärm, den die Nutzer machen. Von Beobachtern, die andere Beobachter beim Beobachten beobachten.
Es gibt eine Einführung in Kybernetik und einen Vortrag über die Gruppendynamik in sozialen Netzwerken. Die berüchtigte Colonia Dignidad kommt ebenso zur Sprache wie die Rolle der USA beim Militärputsch in Chile. „Ich hab dir genau zugehört und kein Wort von dem verstanden, was du gesagt hast“, so die Replik einer Schauspielerin auf die Ausführungen ihres Kollegen. Ein bisschen muss man ihr als Zuschauer da schon zustimmen. Nicht dass man gar nichts verstehen würde. Aber worauf das Ganze hinauslaufen soll, bleibt dann doch recht vage.
Dafür gibt es einiges zu sehen. Die Bühne ist eine wunderbar verschachtelte Kulisse mit Monitoren, chaotischen Schautafeln und einer Art Tunnel, durch den die Akteure von der realen in die virtuelle Welt und wieder zurück kriechen. Hier wie dort kreisen sie ihr Thema ein, ohne es je zu fassen zu kriegen. Und mit zunehmendem Spiel hat man immer mehr den Eindruck, dass sie das gar nicht wollen. „Wenn du sie nicht überzeugen kannst, verwirr sie“, hat mal ein kluger Mensch gesagt. Den muss andcompany&Co. gekannt haben.
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