Thema „Männer“
Vorleseclub widemt sich den Herren der Schöpfung
Münster-Hiltrup
Der Vorleseclub widmet seine neueste Lesung dem Thema „Männer!“. Herbert Grönemeyer hat dazu einst ein Lied geschrieben. Doch es gibt weit mehr dazu zu sagen. Eine Entdeckungsreise.
Bevor es darum geht, was der Vorleseclub zu „Männern“ zu sagen hat, eine Beobachtung, die ausgesprochen erfreulich, aber auch nicht frei von Nebenwirkungen ist: Die Lesungen in Präsenz ziehen die Freunde guter Literatur wieder in Scharen an. So lebhaft ist der Zuspruch, dass im „pain et gâteau“ der Platz nicht ausreicht. Krimphoves Café ist ein Schmuckstück geworden, der abtrennbare Saal wurde merklich verkleinert. Der Vorleseclub wird künftig an unterschiedlichen Orten auftreten.
Doch was ist mit den Männern? In Zeiten, in denen Feminismus ein schickes Etikett ist und Männer nicht selten als Abfall empfunden werden, wie die FAZ schreibt. Da gehört selbst in einer Gruppe wie dem Vorleseclub, die alles andere als männerdominiert ist, eine Portion Mut dazu, sich diesem Thema zu widmen.
Herbert Grönemeyer
„Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht“, singt Herbert Grönemeyer, vor Kurzem sogar im Duett mit Jan Böhmermann. „Männer sind etwas sonderbar, oh, Männer sind so verletzlich, Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich.“ Claudia Bambach, die den Grönemeyer-Klassiker aus 1984 vortrug, brachte den Text vielschichtiger und aussagestärker zum Klingen, als man ihn von der Platte oder aus dem Radio gewohnt ist. Wenn sie jetzt auch noch Herbert Grönemeyers neue „Männer“-Version angefügt hätte, die er zum Frauentag 2023 umgedichtet hatte.
„Mit der Qualle habe ich mich verlobt, stellt euch das mal vor“, heißt es in einem Tischgespräch, das die Autorin Gabriele Wohmann („Ein netter Kerl“) wiedergibt. Nicht auszudenken! Am Ende „senkten sie die Köpfe und aßen den Nachtisch.“ Spontanen Applaus gab es für Vorleserin Gunthild Klare.
Der Tenor änderte sich rasch. Ob Frederik Backmans „Ein Mann namens Ove“ (vorgetragen von Karin Honermann) oder Saša Stanišić „Dr. Heimat“ (vorgetragen von Anne Sandfort) – oftmals verfolgten die Zuhörer die Geschichten mit einem leisen Lächeln auf dem Gesicht und sparten nicht mit Lob. „Sehr schön“, hieß es, als die Geschichte über „Dr. Heimat“ endete: „Wie wir Stunden nebeneinander am Neckar standen, ein Zahnarzt aus Schlesien, ein alter Bremser aus Jugoslawien und ein fünfzehnjähriger Schüler ohne Karies, und wie wir alle drei ein paar Stunden lang vor nichts auf der Welt Angst hatten.“
Saša Stanišić
Mut machte auch Max Frischs „Begegnung“, vorgetragen von Elisabeth Sicking. Peter Ilskensmeier hatte Matthias Altenburg mit dem König von Baunatal im Gepäck. Lauter Geschichten von damals, Geschichten, die nichts zu bedeuten haben, ohne die es aber nicht auszuhalten wäre. Aber deshalb in den alten Heimatort Baunatal zurückkehren? „Wer wiederkommt, kommt zu spät.“
Zwei kräftige Schlussakkorde
Mit einer Passage aus Dörte Hansens Roman „Zur See“ und Elke Heidenreich Hommage an Charles Schumann, Deutschlands berühmtesten Barmann (entnommen aus „Männer in Karmelhaarmänteln“), setzten Heide Kraft und Monika Nessau zwei starke Schlussakkorde. Von Rykmer Sander, den Seemann, Fährmann und ehemaligen Kapitän zur See, der ein Trinker geworden ist, hätte man noch gerne mehr erfahren. Vermutlich würde man auch Heide Kraft stundenlang zuhören können, wie sie aus Dörte Hansens Roman vorträgt.
Die amüsante Schilderung, wie ein Mann Kartoffeln schält, war der richtige Text, um nach gut einer Stunde das Publikum zu entlassen, das mit Applaus nicht geizte.
Drei Dinge wurden deutlich: Der Vorleseclub ist bestens in Form. Der verstorbene Gründervater Günther Rohkemper-Hegel hätte seine helle Freude. Zweitens: durchgehend starke Texte – und gar nicht immer nur als „Männer!“-Texte. Und drittens: Es ist junge Literatur – entweder ist sie erst vor Kurzem erschienen oder stammt von jungen Autorinnen und Autoren. All das verheißt Gutes.