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Amokfahrer in Münster

Was wir über Jens R. wissen

Münster/Olsberg

Nach der tödlichen Amokfahrt von Münster rücken der Täter und dessen mögliches Motiv in den Mittelpunkt der Ermittlungen. „Wir brauchen Zeit, um alle Spuren auszuwerten“, sagt ein Polizeisprecher. Einige Details sind bekannt, andere liegen im Dunkeln.

Frank Polke, Hilmar Riemenschneider, Carsten Voß, Wolfgang Kleideiter

Täter der Amokfahrt von Münster Jens R. Undatiertes Foto. Foto: Privat

Offensichtlich hatte der Amokfahrer psychische Probleme. Er hinterließ eine Art "Lebensbeichte", derzufolge er sich von seinen Eltern, von Freunden, Nachbarn, Geschäftspartnern, aber auch Ärzten drangsaliert und schikaniert fühlte.

► Was ist bisher über den Mann bekannt?

Es handelt sich um einen 48 Jahre alten Deutschen, der 1969 in Olsberg (Sauerland) geboren wurde, aber bereits seit Jahren in Münster lebte. Sein Name wird mit Jens Alexander R. benannt. Er war Ende der 90er Jahre Student im Fachbereich Design an der FH Münster, gewann Preise und arbeitete als Industriedesigner. Er wohnte in einem Mehrfamilienhaus in Münsters Innenstadt.

► War der Mann bisher polizeibekannt?

Ja. Laut Staatsanwaltschaft liefen gegen den Mann, der 2015 und 2016 mehrere Verfahren etwa wegen Bedrohung, Unfallflucht, Betrug und Sachbeschädigung, die alle eingestellt wurden. Es habe aber „keine Anhaltspunkte auf eine stärkere kriminelle Intensität“ gegeben, hieß es aus Ermittlerkreisen. Nach Informationen unserer Zeitung kündigte der Mann Ende März in einer E-Mail an Bekannte einen möglichen Suizid an. Daraus waren aber keine Rückschlüsse auf eine mögliche Amoktat zu schließen. Es soll seit 2015 Vorfälle in der Familie des Täters gegeben haben, die mit dessen „offenkundiger psychischer Erkrankung“ zusammenhingen.

Der Täter Jens R. auf einem Archivfoto von 1998. Foto: WN-Archiv

► Was könnte die Tat ausgelöst haben?

Nach bisherigem Stand der Ermittlungen hat die Tat keinen politischen Hintergrund, sondern einen, "der im Täter selbst begründet ist", wie Polizeipräsident Kuhlisch und Leitende Oberstaatsanwältin Elke Adomeit sagten. Die Polizei hat nach der Tat insgesamt vier Wohnungen des Amokfahrers durchsucht, aus denen sich keine Hinweise auf ein politisches Tatmotiv ergaben. „Wir haben in der ganzen Nacht die Wohnungen des Täters durchsucht“, so Kuhlisch am Sonntag. Zwei davon lägen in Sachsen, zwei in Münster. „Die erste, doch schon etwas intensivere Durchsicht hat keinerlei Hinweise auf einen politischen Hintergrund ergeben.“ Das sei ein vorläufiger Stand.

 Was wurde in den Wohnungen gefunden?

Bei der Durchsuchung der Wohnung des Amokfahrers in Münster fand die Polizei eine nicht brauchbare Maschinenpistole vom Typ AK47. Die Beamten hätten eine Dekorationswaffe und Feuerwerkskörper gefunden. Hinweise auf politische Propganda wurden nicht entdeckt. In der Wohnung in Münster fanden die Ermittler mehrere Gasflaschen sowie Kanister mit Bioethanol und Benzin. Zu welchem Zweck der Täter die Stoffe in seiner Wohnung aufbewahrt hat, ist Gegenstand der Ermittlungen.

► Welche Informationen gibt es zum beruflichen Hintergrund?

► Wie waren die wirtschaftliche Verhältnisse von Jens R.?

Amokfahrer Jens R. war - auch wenn jetzt von einem angeblichen beruflichen Niedergang gesprochen wird - bis zum Schluss wirtschaftlich vollkommen unabhängig. In einschlägigen Wirtschaftsauskunfteien wird der Designer, der sich im Jahr 2000 in Münster selbstständig machte, in der besten Risikoklasse geführt. Sprich: Es gibt hier keinerlei Auffälligkeiten wie zum Beispiel nicht geleistete Abzahlungen oder Rechnungen. Es genoss damit bis zum Schluss höchste Bonität.

► Welche Informationen gibt es noch?

Es muss lange gut gelaufen sein für den Industriedesigner: Jens R. nutzte vier Wohnungen, zwei in Münster, zwei in Ostdeutschland – darunter in Pirna, dazu besaß er mehrere teure Pkw. Seine gut gehende Firma und mindestens ein erfolgreiches Design-Patent hat er vor einigen Jahren offenbar gut verkauft. Inzwischen allerdings schienen die Geschäfte nicht mehr rund zu laufen.

Medienberichten zufolge hat R. eine Art "Lebensbeichte" in Brief- und E-Mail-Form hinterlassen. Demnach fühlte er sich von vielen Menschen in seiner Umgebung verraten und betrogen, auch drangsaliert und schikaniert - allen voran von den Eltern. Schon als Kind sei er misshandelt worden. Er habe Angstattacken gehabt und angefangen zu trinken.

Nach einer Rücken-Operation im Jahr 2015 soll R. unter starken Schmerzen gelitten haben.

Die Ermittler werden versuchen müssen, diese Puzzleteile an Informationen zu einem Ganzen zusammenzufügen. Liegt darin das Motiv des Täters verborgen? Nach unbestätigten Berichten soll der Mann einen Selbstmord angekündigt haben und wollte diesen „spektakulär“ ausführen. Auch gibt es Berichte, nach denen Jens R. Drogenkontakte nach Telgte hatte. Hinweise auf Verbindungen zum rechtsextremen Milieu sind nach Einschätzung der Ermittler dagegen nicht belastbar.

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