Christian Fries spielt „Lenz“ im Pumpenhaus
Wie der eigene Kampf
Münster
Und dieser Satz ist es auch, bei dem Christian Fries den Sprachduktus wechselt. Hatte er bei seinem Auftritt im Pumpenhaus anfangs noch einen eher beiläufigen Ton kultiviert, legt er jetzt, da die Natur nicht mehr nur äußere Erscheinung, sondern Ausdruck inneren Empfindens ist, deutlich mehr Nachdruck in die Stimme. Einsamkeit und Angst werden bestimmende Begriffe im Leben des Protagonisten, der mit den bürgerlichen Gepflogenheiten seiner Zeit nicht mehr zurechtkommt und aus der Gesellschaft zu fallen droht.
Lenz ist eine historische Figur. Gemeint ist der Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz, der 1778 drei Wochen bei dem Pfarrer Oberlin in den Vogesen wohnte. Büchner stützt sich auf dessen Aufzeichnung und beschreibt die wechselnden Seelenzustände, in die Lenz bei seinem Aufenthalt in Oberlins Bergdorf gerät – die zeitweilige Ruhe, die er in der Familie des Pfarrers findet, aber auch das unaufhaltsame Fortschreiten seiner Krankheit, bis man ihn schließlich nach Straßburg abtransportiert.
Es sind Lenz‘ innere Kämpfe, die Fries in seinem 70-minütigen, teils szenischen Vortrag weise nachzeichnet. Abgesehen von zwei Stühlen und einem Mikrofonständer ist die Bühne leer. Statt auf Requisiten verlässt sich der Schauspieler und Regisseur ganz auf den Text und seine Rezitationskunst. Und die ist insofern beeindruckend, weil er in jeder Situation gut zu dosieren weiß. Statt auf Pathos oder forcierte Dramatik setzt Fries auf einen persönlichen Ton, der eher ruhig, mitunter sogar schnodderig wirkt. Damit löst er die Erzählung aus ihrem historischen Kontext heraus und macht sich das Thema gewissermaßen zu eigen. Sein Ziel sei es gewesen, „die psychische Ausnahmesituation des Dramatikers nachzuvollziehen“, schreibt er in seinen Notizen zur Inszenierung.
Startseite