Anthologie „Über die blaue Steppe“
Literarische Grüße in den Nordkaukasus
Borghorst
Literarische Grüße, angereichert mit Berichten und Informationen aus Russland, gingen jetzt von einem literarischen Gespräch in Pastors Garten ins ferne Pjatigorsk.
„Woher noch immer diese Sehnsucht, es regnet und ich, bäuchlings in meinem Bett bei offenem Fenster, ein Buch vor meiner Nase.“ Diese Gedichtstrophe von Heinrich Peuckmann bringt auf den Punkt, warum sich etliche Personen jetzt in Pastors Garten versammelten: Es ist die Sehnsucht nach Literatur, mit deren Hilfe man das Hier und Jetzt verlassen und sich zum Beispiel in die nordkaukasische Stadt Pjatigorsk träumen kann.
Weil es in Steinfurt an diesem Abend nicht regnete und die Pandemie-Werte es zuließen, konnte die Vorstellung der Anthologie „Über die blaue Steppe“ sehr zur Freude der Veranstalter Matthias Engels und Jan-Philip Zimmermann (FBS) in Präsenz erfolgen. Es war die dritte Veranstaltung ihres Literatur-Projektes, ermöglicht durch das Bundesprogramm „Neustart-Kultur“ und dürfte in diesem weitläufigen, grünen Rahmen ganz im Sinne des Erfinders stattgefunden haben.
In der lauschigen Obstgarten-Atmosphäre erwartete das Publikum weit mehr als eine Buchvorstellung, das garantierte schon die Anwesenheit der charismatischen Liza Dushina alias Wandermaler und des gut gelaunten Thorsten Trelenberg. Beide sind in Steinfurt bekannt als Stadtschreiberin beziehungsweise regelmäßiger Projektpartner von Autor Matthias Engels.
Wie nun also aus der westfälischen Provinz in die nordkaukasische Stadt Pjatigorsk? Der schmale, zweisprachige Band mit Gedichten von 25 Autoren aus Nordrhein-Westfalen ist ein Gruß zum 100-jährigen Bestehen der Zentralen Stadtbibliothek M. Gorki in Pjatigorsk. Die Verbindung entstand in dem von Erich Fritz und Thorsten Trelenberg initiierten Westfälisch-Kaukasischen-Literaturkreis. Zweimal besuchte Trelenberg die russische Stadt und erzählte mitreißend von der Gastfreundschaft, dem lebhaften Interesse an kulturellem Austausch und vor allem von der tiefen Liebe der Russen zur Literatur. „Jeder, der irgendwo in einer Schlange wartet, hält ein Buch in der Hand und oft ist es Lyrik.“ Das konnte die in Nizhnj Novgorod geborene Liza Wandermaler, die ebenfalls mit nach Pjatigorsk gereist war und als Übersetzerin und Dolmetscherin arbeitet, bestätigen. Sie erklärte, dass russische Lyriker geradezu besessen vom Rhythmus eines Gedichtes seien und sich nur langsam an die freien und reimlosen Poesie-Formen des Westens gewöhnen.
In Pastors Garten wurden die Gedichte, die das Thema „Liebe zur Literatur“ haben, zunächst auf Deutsch und dann auf Russisch vorgetragen und schlugen so den Bogen in die kaukasische Stadt. Dem Trio gelang durch die Verflechtung von Gedichtrezitationen, Interview und Reisebericht das beglückende Kunststück bester, informativer Unterhaltung.
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