Joachim Bahr und Theo Böckmann schlichten als Schiedsmänner Nachbarschaftsstreite
Wenn Hecken über den Kopf wachsen
Steinfurt
Joachim Bahr und Thomas Böckmann (r.) sind die Schiedsmänner für Steinfurt. Zehn bis 15 Mal pro Jahr ist ihr diplomatisches Geschick gefordert. Bei ihren Verhandlungen versuchen die unparteiischen Streitschlichter, einen für beide Seiten tragbaren Kompromiss auszuhandeln.
Richtig geraten, meistens ist es die Hecke oder der Baum, deren grenzüberschreitende Triebe als Angriff auf die Privatsphäre empfunden werden. Am qualmenden Grill auf Terrasse oder Balkon entzündet sich ebenfalls gerne mal ein flammender Nachbarschaftsstreit. Joachim Bahr und Theo Böckmann helfen aber auch nach einer Ohrfeige im Treppenhaus, einem über den Zaun gerufenes „A...loch“ oder Tuba-Proben zu Unzeiten, das Feuer zu löschen, das die Harmonie zwischen Nachbarn, Familien, Freunden oder auch Arbeitskollegen angekokelt hat. Die beiden Schiedsmänner der Stadt sind ziemlich gut im Austreten solcher Flammen. Bei acht von zehn Löscheinsätzen wird die Friedenspfeife geraucht und mit der Unterschrift unter einem Vergleich das Kriegsbeil für wenigstens 30 Jahre begraben. So lange hat nämlich ein beim Schiedsmann unterschriebener Friedensvertrag Gültigkeit. Trotz dieser hohen Erfolgsquote ist es für die beiden ehrenamtlichen Streitschlichter erstaunlich, wie wenige Bürger überhaupt von der Existenz des Schiedsmannes wissen.
Die Zuständigkeiten zwischen den Kollegen sind schnell erklärt: Der noch aktive Lehrer Joachim Bahr ist für Burgsteinfurter Streithähne zuständig, Theo Böckmann, pensionierter Bahner, betreut die Borghorster. Und mögen sich die Stemmerter vom anderen Stadtteil noch so unterscheiden – beim Nachbarschaftszoff sind sie alle gleich. Joachim Bahr schmunzelt: „Meistens geht es gar nicht primär um die zu hoch gewachsene Hecke oder den Grillgeruch. Oft hat es Jahre vorher irgendetwas gegeben, was die Beziehung belastet. Da ist die Hecke nur das auslösende Moment.“
Bei solchen zwischenmenschlichen Schlechtwetterlagen verstehen sich die Schiedsmänner als Moderatoren oder Schlichter. „Wir sind aber keine Richter“, betont Theo Böckmann. Was da meist am Wohnzimmertisch der beiden ausgehandelt wird, ist immer ein Kompromiss. Böckmann: „Beide Parteien müssen sich aufeinander zubewegen.“ Klar, das ist nicht immer einfach. Aber Lebenserfahrung, Empathie und nicht zuletzt das in diversen Kursen angeeignete Schiedsmann-Wissen hilft den Kollegen, der Diplomatie zum Sieg zu verhelfen.
Aus dem Nähkästchen dürfen die beiden natürlich nicht plaudern. Aber dass es bei solchen Gelegenheiten mitunter hoch hergeht, das lassen Theo Böckmann und Joachim Bahr schon durchblicken. Was die Schiedsmänner aber gerne erzählen: „Nach einer erfolgreichen Verhandlung ist bei allen Beteiligten die Erleichterung groß.“
Auch wenn Schiedsmänner ehrenamtlich arbeiten – die von ihnen geleiteten Verfahren sind fester Bestandteil des deutschen Rechtssystems. Darum ist das örtliche Amtsgericht offizielle Aufsichtsbehörde. Dort schauen die Juristen über die in Borghorst und Burgsteinfurt geschlossenen Vergleiche.
Bei juristischen Kleinigkeiten raten Theo Böckmann und Joachim Bahr immer dazu, erst den Schiedsmann einzuschalten. Nicht nur weil es mit 25 Euro pro Partei entschieden günstiger ist, als wenn sofort das große juristische Besteck herausgeholt wird. Und viele Anzeigen, die bei der Polizei aufgenommen werden, landen über den Umweg Staatsanwaltschaft dann doch bei den Schiedsmännern.
Zwischen zehn und 15 Mal sind Böckmann und Bahr pro Jahr als Streitschlichter gefragt. „Der zeitliche Aufwand ist überschaubar“, betont Joachim Bahr. Allerdings kommen da auch immer mal wieder Fortbildungen hinzu. Spaß macht es trotzdem. Joachim Bahr: „Mich hat die Thematik schon immer interessiert. Als ich mich damals für den Posten beworben habe, da wusste ich allerdings nicht genau, was da auf mich zukommt.“
Für den organisatorischen Teil des Schiedswesens ist der Fachdienst Sicherheit und Ordnung im Rathaus zuständig. Leiterin Susanne Laumann und ihr Team sorgen dafür, dass alle fünf Jahre die Schiedsmann-Wahlen stattfinden, dass die Gewählten Fortbildungen besuchen können und vermitteln auch gerne mal Streitfälle an die beiden. Wie gesagt, meistens geht es um die berühmten Hecken.
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