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Kommentar

Überraschend starke Zinserhöhung: Spät, aber deutlich

Lange hat die Europäische Zentralbank die drohenden Gefahren für den Wohlstand, speziell für das Ersparte, der Bürgerinnen und Bürger in den Euroländern kleingeredet. Jetzt die deutliche Kehrtwende.

Von Jürgen Stilling

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, verkündete am Donnerstag den überraschenden Zinsschritt. Foto: Boris Roessler

Ein Leitzins von 0,5 Prozent und die Abschaffung der Strafzinsen sind der lang ersehnte Befreiungsschlag. Der zeigt, dass die Währungshüter den Kampf gegen die ausufernde Inflation aufnehmen. Und noch besser: Für September stellt EZB-Chefin Christine Lagarde weitere Zinserhöhungen in Aussicht.

Damit dürfte sich auch der arg unter Druck geratene Außenwert des Euro wieder stabilisieren, was die importierte Inflation – vor allem bei Energie und Rohstoffen – abmildert.

Für die Banken und Sparkassen ist mit dem Zinsschritt die Richtung vorgegeben: Die Strafzinsen für größere Geldanlagen sind wohl bald überall Geschichte. Auch Guthaben auf Tagesgeldkonten werden – je nach Höhe der nächsten Zinsanhebungen seitens der EZB – vermutlich schnell verzinst. Für die Häuslebauer und andere Kreditkunden wird es allerdings teuer: Die ohnehin schon gestiegenen Sollzinsen dürften stark klettern.

Höhere Kreditzinsen treffen nicht nur die Verbraucher. Für die Unternehmen im gesamten Euroraum verteuern sich die Kosten für das Geld von der Bank ebenfalls. Vor allem für die ohnehin schon angeschlagenen Volkswirtschaften im Mittelmeerraum kann das zu einem gewaltigen Problem werden. Investieren die Firmen wegen des teureren Fremdkapitals weniger, lähmt das die Konjunktur insgesamt.

Zu befürchten ist, dass die daraus resultierende Wachstumsschwäche die Überschuldung von Italien, Griechenland und Co. wieder in die Höhe treibt. Dann wäre auch eine Euro-Krise wieder greifbar nah.

Um für diesen Fall vorzubeugen hat die EZB sinnvollerweise ein Anti-Krisen-Instrument ausgetüftelt. Name: „Transmission Protection Instrument“ – kurz TPI. Damit wollen die Währungshüter notfalls die Anleihekäufer wieder aufnehmen, wenn die Zinsen bestimmter Staatsanleihen explodieren sollten. Eine kluge Maßnahme – denn die beschriebene Gefahr ist sehr real.

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