Kommentar
Kritik an den Ostermärschen: Realitätsfern
Zum Höhepunkt der diesjährigen Ostermärsche ist eine Debatte über die Haltung der Friedensbewegung zum Krieg in der Ukraine entbrannt. Ein Kommentar.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) appellierte an die Teilnehmer der Friedensmärsche, bei ihren Aktionen deutlich zu machen, „dass sie sich gegen Putins Krieg richten“. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte vor „Pazifismus auf Kosten anderer“. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff nannte die Ostermarschierer „die fünfte Kolonne Putins“.
Wer hätte das gedacht, dass ein führender deutscher Grüner sagt: „Pazifismus ist derzeit ein ferner Traum.“ Gehörte der Pazifismus nicht mal zur DNA der grünen Partei? Und der ehemalige Bürgerrechtler und SPD-Vorzeigepolitiker Wolfgang Thierse, der sich einst mit anthropologischen Grundsatzfragen auseinandersetzte, nennt Pazifismus auf Kosten anderer zynisch.
Der Ukraine-Krieg macht es einerseits leicht, die Ostermärsche friedensbewegter Menschen nachzuvollziehen, andererseits aber auch schwer, sie in der Radikalität ihrer Ansichten zu ertragen. Natürlich wünschen sich die meisten Menschen derzeit nichts mehr als ein friedliches Miteinander – vor allem raschen Frieden für die Ukraine. Andererseits ist es im Moment wirklich realitätsfern, den Hunderttausenden, die in der Ukraine den russischen Angriffen ausgesetzt sind, das Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen. Und dafür braucht man nun einmal Waffen – auch aus Deutschland.
Das Dilemma für die Friedensbewegung ist also offenkundig. Sie wird nicht über ihren Schatten springen. Sie aber als „fünfte Kolonne Putins“ zu bezeichnen, schießt weit über das Ziel und die berechtigte Kritik hinaus.

