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Werth-Helferin Steffi Wiegard führt ein Doppelleben aus Pferdeliebe

Münster

Langeweile, das steht fest, kommt bei Steffi Wiegard nicht auf. Das liegt am Doppelleben, das sie führt – in der ersten Wochenhälfte als Bürokraft in einem Baumarkt, in der zweiten als Pferdepflegerin bei Isabell Werth. Anstrengend, aber immer spannend, wie die Münsteranerin von zahlreichen Touren quer durch die Welt weiß.

Von Marion Fenner

Alles aus Liebe zum Pferd: Steffi Wiegard (l.) arbeitet bis mittwochs in einem Baumarkt in Münster, ehe sie sich zu Isabell Werth (r.) aufmacht. Die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt begleitet sie als Pferdepflegeri. Foto: Imago/Lafrentz

Steffi Wiegard führt ein Doppelleben – aus Liebe. Von montags bis mittwochs arbeitet die gelernte Bürokauffrau in einem großen Baumarkt in Münster. Von donnerstags bis sonntags ist sie als Pferdepflegerin für die weltweit erfolgreichste Dressurreiterin Isabell Werth im Einsatz. „Ich liebe Münster und könnte mir nicht vorstellen, die Stadt dauerhaft zu verlassen“, sagt die 51-Jährige. Auf der anderen Seite liebt sie auch die Arbeit mit Pferden und die Reisen zu Turnieren. Dass sie dafür bei Werth landete, war einfach Zufall.

Die Leidenschaft für Vierbeiner begann bei Wiegard im Kindesalter. Beim RV St. Georg Münster, wo damals noch Dr. Reiner Klimke aktiv war, begann sie als „Ponykind“. „Ein eigenes Pferd wollte ich nie haben, ich habe aber fremde Tiere immer wie meine eigenen behandelt.“ Nach dem Abitur absolvierte Wiegard eine Ausbildung zur Bürokauffrau und zog für eine Weile nach Hamburg. Dort stellte sie fest, „dass es ohne Münster nicht geht“. Wieder zurück begleitete sie neben ihrem Beruf im Baumarkt gelegentlich Michael Klimke an den Wochenenden zu Turnieren.

Es begann mit einem Anruf von Isabell Werth

Vor zehn Jahren klingelte eines Tages bei ihrem „Bürojob“ das Handy. Am anderen Ende war Isabell Werth. „Das war eine echte Überraschung“, erzählt Wiegard. Sie hatte die Rheinbergerin bei einigen Turniere zwar schon gelegentlich getroffen, näher kannten sich die beiden aber nicht. Werth erklärte, dass sie bis zum nächsten Championat dringend eine fachkundige und erfahrene Begleitung benötige. „Ich musste das erst einmal sacken lassen und vor allem mit meinem Chef sprechen“, erinnert sich Wiegard.

Schnell habe für sie festgestanden, dass sie ihren Beruf in ihrer Herzensstadt auf keinen Fall aufgeben wollte. Die Chance, Werths Pferde zu pflegen, wollte sie sich aber auch nicht entgehen lassen. So kam es zu dem Kompromiss, dem sowohl ihr Arbeitgeber als auch Werth zustimmten. Erst einmal war diese Lösung bis zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 vorgesehen. Und nun sind es schon zehn Jahre.

Immer mittwochs nach der Arbeit setzt sich Wiegard seitdem ins Auto, fährt die eineinhalb Stunden nach Rheinberg („Wenn kein Stau ist“) und bezieht eine kleine Wohnung in der Nähe von Werths Reitanlage. Abends begrüßt sie kurz ihre vierbeinigen Lieblinge, am frühen Donnerstag beginnt dann ihre zweite Arbeitswochenhälfte mit „Stallgeruch“. Entweder packt Wiegard den Transporter, für den sie extra den Lkw-Führerschein gemacht hat, und lädt die Pferde auf oder hilft beim Misten und Füttern.

Shopping-Erlebnis in New York

Oft geht es aber auf Reisen. Wer mit Werth zu Turnieren fährt, kommt viel herum. New York, Rio, Tokio – all diese Städte und viele mehr hat Wiegard angesteuert. Aber zumeist nicht viel davon gesehen, denn sie lässt die wertvollen Sportpartner ihrer Chefin nur selten allein. „In New York war ich tatsächlich mal shoppen“, sagt sie, aber ansonsten kenne sie nur Turnierplätze und die dazugehörigen Stallungen.

Steffi Wiegard machte extra einen Lkw-Führerschein für die Arbeit bei Isabell Werth. Foto: pd

El Santo und Don Johnson waren die ersten Pferde, um die sich Wiegard bei Werth kümmerte. Auch Weihegold, die in Rio an den Start ging, gehörte dazu. An allen drei Pferden hängt das Herz der Pflegerin besonders. El Santo, „Johnny“ und Bella Rose sind im Ruhestand und werden von Wiegard immer noch verwöhnt. Von Weihegold musste sich die Pflegerin (tränenreich) verabschieden – die Stute ging nach der Sportkarriere zurück zu ihren Besitzern.

„Beim Turnier kann ich nicht zuschauen“

Wiegards Aufgabe bei den Turnieren ist es, die Tiere zu betreuen, sie für die Prüfung einzuflechten, auf Hochglanz zu bringen und sie rechtzeitig gesattelt zu haben. Während Werth die Prüfung reitet, kann Wiegard vor lauter Nervosität nicht zuschauen. Wenn die Reiterin fragt, wie sie es fand, muss die Pflegerin passen.

Doch mittlerweile gibt es einen Trick: Eine Freundin von Wiegard schaut von zu Hause Ritte, die per Video übertragen werden, und gibt schnell Rückmeldung. Dann weiß die Pflegerin schon von Höhepunkten oder auch mal kleinen Fehlern, bevor sie ihren Schützling der Reiterin abnimmt. „Zu Hause beim Training kann ich gut zuschauen, aber beim Turnier klappt das nicht.“ Sonntag „pünktlich zum Tatort“ versucht Wiegard, die immer von ihrer Hündin Frieda begleitet wird, zurück in Münster zu sein. Montags ist ja wieder Bürotag.

In der nächsten Woche aber wird Wiegards zweite Wochenhälfte ein wenig länger dauern. Der Grund ist die WM im dänischen Herning, die am Samstag beginnt – und wo Werth im Sattel von Quantaz mit dem deutschen Team um Ingrid Klimke sowie im Einzel ihre Medaillensammlung aufstocken will. Und Wiegard wird dafür sorgen, dass im Vorfeld alles optimal läuft.

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